Trommeln

Tausende Fäuste trommeln von innen
Gegen den Panzer aus tausenden Rippen
Tatenlos will sich mein Geiste besinnen
Pausenlos schweige ich - tausendmal still.

Hunderte Stimmen erklimmen den Rachen
Suchen den Weg zu verschlossenen Lippen
Inhaltlos flieht nur verlegenes Lachen
Pausenlos lachen sie, hundert zu viel.

Einige Zeilen entkommen der Feder
Fließen im Kanon stumm aufs Papier
Sprechen nichts aus, doch hören kann's jeder
Wort um Wort - trommelt's in mir.

Blatt Papier

Gebannt schau ich auf weiße Flächen,
Als ob sie wüßten, was mein Herz mir spielt.
Als wär' das leere Blatt schon ein Versprechen,
Dass nichts in mir dergleichen fühlt.

Mit einem Stift will ich die Leere füllen
Will Blatt um Blatt beschrieben seh'n,
Gefühle will ich wild in Worte hüllen
Gefühle, die in mir im Leeren steh'n

Und Sätze formen sich aus Zeichen
Doch keins ist einem Lebenszeichen gleich
Ich wünsch mir, dass die Worte weichen
Ich wünsch, das Blatt sei arm an Worten
Und ich an Worten reich.

Die erste Strophe ist zu Ende
Den Bleistift hab ich neu gespitzt
Verkrampft bekämpfen meine Hände
Den Terror der Ruhe, der in mir sitzt.

Mit jeder Zeile wächst die Stille
Und nimmt sich mehr von allem, was ich bin
Mein Körper schweigt und selbst mein Wille
Was bleibt: Mein Hirn, mein Geist, mein Sinn.

Sie sind die Trümmer, sind die Spuren
Einer Kultur, die längst vergangen ist
Und haben sich als alte Huren
Verkauft. Doch meine Flagge bleibt gehißt.

Frieden

Die Wolkenlippen schau'n mir in die Leere.
Sie locken und sind so unendlich weit.
Vor mir da liegen wortlos tiefe Meere.
Ich treib' auf Erden stets zum Untergang bereit.

Ein Damm trennt mir die wilden inn'ren Welten,
Trennt, was mir ewig von Zerstörung singt.
Kann diese Ruhe denn als Frieden gelten,
Wenn dort nun Land mit tausend Wellen ringt?

Ich sah die Schiffe auf den Ozean treiben
Und sah wie eins am Horizont verschwand.
Man sagte mir es müßt' dort ewig bleiben.
Doch die, die gingen, suchten neues Land.

Ich geh' zum Hafen und bestaun' die Segel
Und frag wohin die Ewigkeit sie schickt.
Dort draußen, hör' ich, gibt es keine Regel.
Es zählt nur das, wohin das Auge blickt.

Da richt' ich meine starren Marmorlider
Vom Boden weg und schau den Himmel an.
Vielleicht seh' ich das feste Land nie wieder,
Wenn ich mein' Blick von ihm nicht lassen kann.

Zugvögel

Am Fenster sitz ich und ich staune,
Was draußen sich so alles tut.
Ein bißchen zieht's an meiner Laune
Und die ist ohnehin nicht gut.

Die vielen Menschen, die sich sputen,
Und jeder hofft, er schafft es noch,
Nur ich sitz' hier, seit zwölf Minuten
Und bohr' in meinem Nasenloch.

Könnt' ich nur meinen Platz verlassen,
Dann würd' ich sagen "laßt euch Zeit!
Macht euch kein' Streß, nehmt's ganz gelassen,
Denn seid ihr pünktlich, tuts euch leid."

Und während ich das so ertrage,
Da tut sich was, es geht voran.
Ich hör verrauscht in der Durchsage:
"Willkommen bei der Deutschen Bahn".

Unterschlupf

Ich bin dein Haus
In das du einziehst
Und dich ausziehst
Bis du nackt bist.
Ich bin deine Heizung
Lasse dich schwitzen
Im Trockenen sitzen
Ich bin dein Licht
Und laß dich im Dunkeln.
Beschwer dich nicht!

Ich bin dein Fenster
Von außen verriegelt
Von innen verspiegelt
Und draußen die Kälte
Bin das Glas
Halte den Regen
Und dich in Atem
Bin deine Klimaanlage
Mal warm, mal kalt
Manchmal kaputt.

Ich bin dein Dach
Dein Speicher
Dein Depot
Dein Seelenklo
Setz dich hin
Piss mich an
Ich schluck's nicht
Aber spül's runter
Mit salzigem Wasser
Und Duftsteinen

Ich bin dein Keller
In den du dich
Nicht mehr traust
Nur Vergangenheit
Verstaust
Und vergißt.
Falls du sie vermißt
Ich hab sie verbrannt
Ich bin dein Kamin
Bin dein Rauchzeichen.

Ich bin deine Nummer
Hausnummer 1
Aber längst nicht
Die erste Adresse
Ich bin deine Miete
Deine Zwischenmiete
Du bist gegangen
Ohne die Wände zu streichen
Ich bin dein Briefkasten
Empfänger unbekannt.
Ich bin verzogen.

Verloren

Du glaubst die Menschen sind verloren,
Nur weil du sie nicht finden kannst.
Und ihre Dummheit stimmt dich heiter,
Doch stolz entgeht dir deine weiter.
Nicht fehlerfrei bist du geboren,
Wenn du den Fehler in dir bannst.

Nur Gott, erklärst du, kann ihn finden,
Den teuren Schatz der in dir steckt.
Nein! Niemand macht sich auf die Suche,
Kein Mensch befreit dich von dem Fluche.
Wer will dein Wasser schon ergründen?
Wie tief es sei, so ist's verdreckt.

Die Kälte hast du längst gewittert
Und meinst sie sei des Fortschritts Preis.
So bleibst du heute lieber stehen
Und läßt die andern weitergehen,
Doch während deine Seele zittert,
Glänzt deren Stirn vom Tagesfleiß.

Nur Dunkelheit beherrscht die Leute,
Ist deiner Trauer Lobgesang.
Mein Freund, schließ nur die Augen wieder
Und trinkt die Wellen deiner Lieder!
Heut' sättigt dich die mag're Beute,
Bedenk' die Dunkelheit ist lang!

Das Leben dieser Welt soll sterben
Und mit ihm alle Erdennot.
Dein Flehen will kein Mensch erhören,
Noch eher wird es dich zerstören.
Und Leben wirst du niemals erben,
Denn du - nur du - bist jetzt schon tot.

Masken

Ja, Masken tragen wir alle
Fassaden mit Lächeln verputzt
Dahinter die seelische Halle
Wirkt staubig und selten benutzt.

Einst spielte ein Kindlein im Innern
Und frei war sein Blick in die Welt
Durch Fenster - könnt' ihr euch erinnern
Die Heute verdreckt und verstellt

Wir haben uns eingerichtet
Und alles war doch für die Katz'
Was nützt ein Archiv uns'res Wissens
Jetzt fehlt uns zum Spielen der Platz

Was einstmals ein Spielplatz gewesen
Dient nur noch als Bibliothek
Doch keiner soll darin lesen
Sie ist unser Schatz und Versteck.

Auf Fremde hör'n wir nicht gerne
Auch Kinder sind unangenehm
Wir grüßen das Glück aus der Ferne
Und schützen das saub're System.

So halten wir uns für gebildet
Für reifer, erwachsen und klug
Doch ist auch die sauberste Bildung
Zum Menschsein niemals genug.

Sieb

Wurde ein Land nie brach gehalten,
Nie gedüngt und nicht geliebt,
Dann hält es den Naturgewalten
Nicht stand und wird davon zersiebt.

Und dieser Löcherboden duldet
Die Tränen einer ganzen Welt,
Als ob sein Schicksal selbstverschuldet,
Bis Salz die kleinen Löcher füllt.

Auf dieses Bodens saurer Erde
Wird ein Erfolgsbaum angebaut,
Damit aus seinem Fallobst werde
Eine gesunde Komposthaut.

Den Baum sieht man im Winter stehen,
Hält Frost und Kälte tapfer stand,
Und selbst wenn rauhe Winde wehen,
Reißt nichts die Wurzeln aus dem Land.

Erst wenn des Sommers erste Geste
Den Boden taut und Wärme schenkt,
Zerbricht das saubere Geäste,
Weil es voll Salz statt Früchten hängt.

Der Himmel, der nun Regen bringt,
Gibt süßes Wasser noch und nöcher,
Und während jede Pflanze trinkt
Bekommt des Baumes Boden Löcher.

Gischt

Manchmal schreit die Welt nach Luft
Im Sturme der Gezeiten,
Bricht entzwei die ew'ge Kluft
Der besten und der zweiten.

Dann drosselt und ertränkt sie dich
Im Wasser wilder Wogen
Aus Kraft, die überheblich sich
In falsche Höh' gebogen.

Doch eilig schwebt die Lüge fort
Und türmt sich auf zur Welle,
Trägt ihre Macht zum nächsten Ort,
Fernab der seichten Quelle.

Wenn sie dem Ziele endlich naht,
Bereit sich zu ergießen,
Schäumt über schon der Machtgier Saat
Versucht den Kreis zu schließen.

Dann bricht die Welle, tobt und zischt,
Aus Welten wird nun eine
Und nur die ungebund'ne Gischt
Versickert nicht im Steine.

Die sanfte Schwingung flieht zurück,
Holt aus zum nächsten Schlage,
Doch kommt voran kein einz'ges Stück
Seit Anbeginn der Tage.

Gebälk

Im morschen Dach entfernter Tage,
Kracht und knarzt stures Gebälk,
Mahnt im Angesicht der Lage:
"Was heute frisch, ist morgen welk!".

Die schweren Balken, unverrückbar,
Thronen unterm Altersdach,
Halten fern das frische Wetter,
Denn die Könige sind schwach.

Balken können sich nicht drehen,
Geh'n am Stock und sind doch Krücke,
Können niemals aufrecht stehen,
Sind nicht Pfeiler, sondern Brücke.

Der Regen fällt auf weiße Ziegel,
Das Dach hebt zitternd seine Faust,
Verliert die Schlacht um tausend Siegel,
Hinter denen keiner haust.

Verfressen

Schützt den, der meine Art nicht kennt
Der Diebstahl stets verbirgt
Es gibt kein Licht das jenem brennt
Kein Strang, der ihn erwürgt

Nichts kleines will ihm mehr entkommen
Der Hochmut schreit ihm ins Gesicht
Er hat den Plan der Flucht ersonnen
Doch bloß den Rückzug nicht.

Was will die Stunde jenem sagen
Der längst nicht mehr auf Tage hört
Und der im eigenen Versagen
Zeitlosigkeit im Keim zerstört.

Puzzlestück

Rings um meine Formen säumt
Ein Schnitt die Grenzen der Person,
Die aus der Mitte eines Bildes keimt,
Als Teil der Welt und Menschensohn.

Die Leere schrieb die Freiheit vor,
Auf die man mich verwies.
Bis diese ihren Raum verlor,
Und ich zu früh ans Ende stieß.

Nun lieg ich da, fest eingepasst,
Geformt allein von Dritten.
Zu einem Bild zusamm'gefaßt
- Von allen abgeschnitten.

Wer setzte mich an meinen Platz
Und sieht in meiner Form den Sinn?
Wer sieht um mich den Gegensatz,
Der mich zu dem macht, was ich bin?

Ich fang' die Fragen an zu hassen,
Ich will die Antwort endlich seh'n,
Muß alle um mich nun verlassen
Und neue Grenzen vor mir zieh'n.

Und immer weiter führt mein Ziel
Von dem, was mich bestimmte, fort
Zu einem neuen Formgefühl,
An einem weltenfremden Ort.

Ich blicke staunend auf die Welt,
Der Abstand macht sie einheitlich,
Weil auch die letzte Grenze fällt,
Doch was zur Einheit fehlt – bin ich.

Verflogenes Glück

Zerflättert lagst du da, verstoßen
Geraubt die letzte Kraft, so schwach
Jede Hoffnung längst verflossen
Dem Leben fern, im Tode wach.

Dein Körper zitterte im Regen
Dein Kleid zerissen und verdreckt
So hast du ängstlich dagelegen
Von schroffer Kälte zugedeckt.

Ich nahm dich auf, trug dich auf Händen
Gab dir, was mich stets hat verwöhnt
So ließ dein Schicksal sich noch wenden
Wonach ich mich so sehr gesehnt.

Die Tage flohen, und ich wusste
Daß unsere Zeit nicht ewig weilt
Daß ich dich ziehen lassen musste
Wenn erst dein Leiden ausgeheilt.

Ich schenkte dir von mir das beste
Auf dass du schnell genesen kannst
Du nahms dir auch die letzten Reste
Ich bot dir alles, du verschlangst.

Und bald warst du erstarkt und kräftig
Wollt'st in die große, weite Welt
Der Abschied brannte in mir heftig
Als ich dich sah am Himmelszelt.

Kein Wort des Dankes hast du je gesprochen
Und niemals kommst du mehr zurück
An deiner Freiheit bin ich fast zerbrochen
Geblieben ist mir nur dein Glück.

Nebel

Unter deinen schweren Schatten
Hängen Fäden dunkler Nacht.
Düster lassen sie ermatten
Der Laternen helle Macht.

Dort wo Lichter einst erhellten
Schließen deine Tore dicht,
Trüben, zu den Zauberwelten
Jeden noch so scharfen Blick.

In den Straßen hört man Schritte,
Dringen bis zu dir empor
Und aus deiner lichten Mitte
Tritt ein müdes Dach hervor.

Jeden Weg lässt du erblassen,
Alle Herkunft ist versteckt.
Nur die Tränen in den Gassen
Zeigen, was dein Kleid bedeckt.

Tonträger

Wohlig brennt das Feuer
Der nackten Kälte entgegen
Und der Steine kaltes Gemäuer
Dankt der ergebenen Glut.

Leise atmen die Flammen
Das stille Entsetzen der Luft
Und aus zaghaft feigem Verlangen
Wandelt sich nächtlicher Mut.

Schattenspiele erzählen
Der Gegenwart dunkle Geschicht’.
Erinnerungen, sie fehlen,
Verloren in schweigendem Licht.

Im flackernden Schein jener Flammen
Sitzt der Träger und richtet sein Joch,
Hat die Lasten der Zeit längst beisammen
Und hört, wie sie jetzt zu ihm spricht:

„Was ich einst war, das ertrage!
Kein Urteil richtet mich mehr,
Kein Zeuge stützt deine Klage,
Die Zukunft setzt sich zur Wehr.“

Da hört man den Träger leise:
„Ergeben trag' ich dich fort,
Nehm' dich mit auf die Lebensreise
Und stehl' dem Verbrechen den Ort.“

Dann hebt er müd’ seine Glieder
Und blickt voller Ehrfurcht zur Tür,
Wohl wissend, er kommt niemals wieder,
Trottet er weg von hier.

Was Steine und Flammen nie trugen,
Worunter der Raum niemals litt,
Es schlich nicht durch Mauerfugen,
Der Träger allein nahm es mit.

Ohne

Gott ohne Macht
Hai ohne Meer
Held ohne Schlacht
Caesar ohne Heer

Vulkan ohne Krater
Tag ohne Licht
Kind ohne Vater
Aug‘ ohne Sicht

Mensch ohne Herzschlag
Grab ohne Tod
Partei ohne Wahltag
Hilf‘ ohne Not

Sie alle sind ohne
Genau, was ich bin
Nur eine Schablone
Mit Form ohne Sinn

ICD 10 F20.6

Was Du nie warst,
Das hab ich stets empfunden
Was dich zerfraß,
Das war mein eigner Biß
Wonach du suchtest,
Hatt' ich längst gefunden
Wo du zusammenhieltst
War ich der Riß

Wonach du griffst,
Das hab ich weggeschlossen
Was all dein Stolz war,
Das belächelte ich nur
Wenn du versagtest,
Das hab ich genossen
Wo du der Mut warst,
War ich Galgenschnur

Du bist
Der ewig währende Gedanke
Du bist mein Traum,
Ja, meine Phantasie
Ich bin der Feind
Und brech in deine Flanke
Wie sehr du kämpfst,
Gewinnen wirst du nie.

Alptraum

Schleichend legt sich eine Hand
Im düstern Zimmer zittrig nieder,
Auf des Bettes unt’ren Rand,
Zaghaft – und verläßt ihn wieder.

Schwerer Atem flüstert leis’,
Was die Stille längst verrät:
Ein Gesicht, erschrocken weiß
Ist es, das am Bette steht.

Ängstlich suchen seine Hände,
Was am Tage so vertraut,
Fürchten stets der Suche Ende
Und der Stille ersten Laut.

Blicke voller Sehnsucht weinen,
Wut zerfrißt das zart’ Gemüt,
Als die Angst auf Kinderbeinen
Aus dem Elternzimmer geht.

Altes Land

Des Wassers zarte Decke schimmert,
Getragen von dem trüben See.
Der aufgewühlte Grund er wimmert,
Die Dunkelheit tut ihm so weh.

Verzerrte Welt im Rausch der Wogen,
Bejaht vom Spiegel der Natur,
Geschmückt mit einem Regenbogen.
Die Stille spielt in sanftem Dur.

Doch in der Tiefe, längst vergessen,
Liegt einsam und vor Trauer blind
Das alte Land, vom See gefressen,
War doch gerade noch ein Kind.

Der Neugier rasche Blicke fehlen,
Nur wer verweilt erkennt wovon
Des Wassers Tiefen dir erzählen
Und hört des stillen Schreies Ton.